5G: Die vier großen Bedenken

5G, das Mobilfunknetz der neuen Generation, steht vor der Tür – und wird mit Sicherheit Veränderungen unseres Alltags mit sich bringen. Oder eben ohne Sicherheit. Denn sicher ist nur eins: in Belgien hat keine wirkliche Debatte zu den Vor- und Nachteilen dieser Technologie stattgefunden.

Immer schneller, immer stärker, immer praktischer. Und immer „mehr“ : So kommt 5G, die neue Generation der mobilen Telekommunikation daher, die seit kurzem in Belgien und Europa die Gemüter erhitzt. Mit Proximus hat der wohl wichtigste Netzbetreiber des Landes Anfang April, mitten in der Zeit der Corona-Ausgangsbeschränkungen, ankündigt, dass er Kunden in etwa dreißig belgischen Gemeinden die Möglichkeit bieten werde, die mit 5G verbundenen Dienste in Anspruch zu nehmen, allerdings in einer „Light-Version“. Das Ergebnis: ein Aufschrei in einigen dieser Gemeinden. Empörung darüber, dass der Betreiber eine solch besondere Zeit (Covid-19) nutzt, um seine Tests und Abstimmungen durchzuführen, während die langfristigen Auswirkungen von 5G auf die Gesundheit noch weitgehend unbekannt sind.

Hier der Plan des Anbieters: In einem ersten Schritt wird die fünfte Generation die von der Vorgängerversion 4G angebotenen Dienstleitungen weiter ausbauen. Und dabei weitaus effizienter sein: Internetverbindungen von Smartphones sollten bis zu zehnmal schneller sein (1). Das Laden eines hochaufgelösten 30-GB-Films soll von 17 auf etwa drei Minuten fallen, 500 Fotos benötigen nur 40 Sekunden und ein MP3-Album nur drei Sekunden zum Laden. Liebhaber von Streaming in 4K-Qualität, On-Demand-Spielen usw. freuen sich ebenfalls über eine Maximierung der Leistungsfähigkeit. Neben den verringerten Lade- und Wartezeiten werden Bild- und Tonqualität entscheidend verbessert.

Eine vernetzte Welt

Aber 5G wird nicht nur die Stau- und Überlastungsprobleme lösen, die das derzeitige 4G-Netz beeinträchtigen. In einer zweiten Phase wird es auch den Weg für eine echte industrielle und technologische Revolution ebnen, der die Echtzeit-Verbindung von Milliarden von Geräten auf der ganzen Welt (bis zu 50 Milliarden bis 2025) ermöglicht (2). Diese „Hyperkonnektivität“ dürfte es Ärzten ermöglichen, Fernoperationen durchzuführen, autonome Fahrzeuge könnten sich unfallfrei bewegen und intelligente Städte (Smart Cities) könnten ihre Mobilität und Energieflüsse viel effizienter und wirtschaftlicher als heute steuern. Übrigens: künftige, als „intelligent“ bezeichnete Haushaltskühlschränke, könnten die Liste der zu erledigenden Einkäufe automatisch an die Supermärkte senden: nur ein Beispiel unter vielen anderen, das die heutige Haustechnik vorgeschichtlich erscheinen lassen wird. Nicht zu vergessen natürlich die Automatisierung und Robotisierung von Fabriken und Unternehmen, die große Revolutionen ankündigen... Eine technologische Revolution steht demnach bevor.

Technisch gesehen wird 5G mehr und andere Frequenzen nutzen als 4G. Die Antennen, die in der Lage sind, eine Million Geräte pro Quadratkilometer auf einem Stadtgebiet zu verbinden, werden völlig anders sein als die derzeitigen Anlagen. Klein und von kurzer Reichweite, werden sie in unserer Alltagsumgebung in einer Entfernung von 100 bis 150 Metern aufgestellt sein und zusätzlich zu den herkömmlichen Antennen sogenannte „Millimeterwellen“ aussenden. Statt eine gesamte Fläche zu überfluten, passen sie sich sozusagen an, d.h. sie senden ein gezieltes Signal an jeden Benutzer entsprechend dessen Bedürfnissen (1).

Dies sind die Vorzüge, die von den Befürwortern der Technologie dargelegt werden… Aber welche Argumente führen die Gegner von 5G ins Feld?

Gesundheit: noch mehr schädliche Wellen?

Sowohl in Frankreich als auch in Belgien wird 5G vermarktet werden, noch bevor eine eingehende Prüfung der möglichen Auswirkungen auf die Gesundheit durchgeführt worden ist. In der Tat wird in unserem Land der Hohe Gesundheitsrat, der die staatlichen Behörden berät, frühestens im Herbst 2021 eine Entscheidung treffen. Sein Pendant in Frankreich, die Anses, hat bisher nur einen vorläufigen Bericht herausgegeben, wonach „nicht erkennbar ist, inwiefern 5G-Signale grundlegend anders und gefährlicher als 4G-Signale seien“.

Eine Unsicherheit lässt die Anses dennoch erkennen: Die Auswirkungen der beiden neu genutzten Frequenzbänder verdienen besondere Aufmerksamkeit. Bereits 2017 und erneut 2018 forderten internationale Gruppen von Umweltwissenschaftlern und -ärzten (ISDE) ein Moratorium für 5G unter Berufung auf das Vorsorgeprinzip. Die Schweizer Ärztekammer folgte diesem Beispiel (3). Die Befürchtungen beziehen sich auf eine Veränderung der Genexpression und der Funktion der Zellmembran der Nutzer. Auch die Synthese bestimmter Proteine, die an entzündlichen und immunologischen Prozessen beteiligt sind, sei gefährdet, was systemischen Wirkungen im Körper Tür und Tor öffnen würde.

Erwähnt wird auch die Möglichkeit, dass die Schweißdrüsen aufgrund ihrer spiralförmigen Struktur im oberen Teil der Haut als Antennen für Millimeterwellen wirken und „die Absorptionsrate der Wellen durch die Haut deutlich erhöhen“. Laut Inter-Environnement Bruxelles würde der (laufende) Entwurf eines neuen Gesetzes über Schutzstandards durch die regionalen Behörden, wenn es in seiner jetzigen Form verabschiedet würde, dazu führen, dass der Schutz der Bürger vor der Mobiltelefonie im Vergleich zur 4G zunächst sechs und – seit dem Gesetz von 2014 – 23 Mal niedriger sein würde. Wenn dies stimmt, müssten Menschen mit Elektrosensibilität sich künftig auf ein leidvolles Leben einstellen.

Rohstoffe: eine massive Verschwendung!

Die Einführung von 5G wird die Verschrottung unserer teuren Smartphones und all der bereits miteinander verbundenen Geräte bedeuten. Seltene Erden wie Germanium, Palladium, Kobalt, Tantal, Indium, oder Gallium: Es ist kein Geheimnis mehr, dass viele dieser Rohstoffe aus Bergbaubetrieben, die Sozial- und Umweltstandards missachten, stammen, einschließlich des Verbots von Kinder- und Jugendarbeit.

„Grund genug, die glänzende Zukunft, die uns hier verkauft wird, in Zweifel zu ziehen“, sagt die Vereinigung Ecoconso, die zudem einen exponentiellen Anstieg der Anzahl der Batterien voraussagt, die hergestellt und natürlich entsorgt werden müssen (4). Aber der Kauf der Geräte der neuen Generation wird nur der erste Schritt sein, dem schnell die Konsequenzen, die durch die Nutzung dieser Endgeräte entstehen, folgen werden: Die schwindelerregende Zunahme der aufgrund von 5G ausgetauschten Datenmenge wird insbesondere zu einer Vervielfachung der Rechenzentren führen, wobei diese Speicherzentren mit großen Kühl- und Lüftungsanlagen arbeiten, allesamt Energiefresser sind. Wie können wir unter solchen Bedingungen die dringenden Vorgaben zur Reduzierung der Treibhausgasemissionen erreichen, die 2017 in Paris beschlossen wurden?

Transparenz: seltsame Vorgänge!

Als Proximus Anfang April seine 4G-Anlagen versuchsweise auf das 5G-Niveau hochschraubte, hatte das Unternehmen die Bürgermeister der 30 betroffenen Gemeinden vermutlich im Vorfeld informiert. Dies allerdings ohne die explizite Erwähnung von 5G, weil den Verantwortlichen wahrscheinlich sehr wohl bewusst war, dass es in der Bevölkerung Ängste weckt und Misstrauen schürt, wenn die Menschen den neuartigen 5G-Wellen ausgesetzt sind. Ein weiteres Zeichen dafür, dass der Sektor weiß, dass er sich auf dünnem Eis befindet: Als das belgische Institut für Post- und Telekommunikationsdienste (BIPT, die „Regulierungspolizei“ des Sektors) seine öffentliche Befragung über die für 5G benötigten Frequenzen eröffnete (sie schloss am 21. April dieses Jahres), erschien die ausdrückliche Erwähnung von 5G nicht im Titel der Ankündigung der Konsultation, sondern nur in einem Anhang. „Offensichtlich soll die vom BIPT organisierte öffentliche Befragung in keiner Weise irgendeine Debatte über diese grundlegenden Fragen auslösen, obwohl genau dies das wesentliche, wenn nicht das einzige Interesse einer öffentlichen Konsultation ist“, erklären vier Verbände in einer vor einigen Tagen an das BIPT gerichteten Beschwerde.

Viel beunruhigender jedoch ist folgende Enthüllung von Alter Echos (5): Knapp zehn Tage, nachdem es einer verärgerten belgischen Bürgerin gelungen war, 105.000 Unterschriften gegen die 5G zu sammeln, verschwand ihre Petition auf mysteriöse Weise von der Website, auf der diese Protestaktion von beispiellosem Ausmaß stattfand. Gestützt auf seine Untersuchung bedauert Alter Echos die „schwache Position von Bürgerinitiativen“ gegenüber einem solchen Projekt, das für Unternehmen, aber auch für den Staat, attraktiv ist. Denn langfristig werden die für 5G benötigten Frequenzen durch den Staat meistbietend vergeben.

Ethik: alles Roboter?

Philosophen und Juristen, um nur einige zu nennen, stellen die Bedeutung des durch 5G weiter verstärkten „Immer-schneller-immer-mehr“ infrage. Im Rahmen der Covid-19-Gesundheitskrise findet ihre Hinterfragung ein besonderes Echo: Sollten wir nicht zu einer gewissen Genügsamkeit zurückfinden? Ist das zügellose Streben nach Profit angesichts der weltweiten Notstände noch legitim? Mit 5G, so befürchten diese Denker, werden immer mehr automatisierte Entscheidungen in Mikrobruchteilen von Sekunden getroffen werden, was nicht gut zum Tempo des politischen Denkprozesses und der Entscheidungsfindung passt. Darüber hinaus wird uns die mit 5G verbundene digitale Revolution in Verbindung mit der zunehmenden Algorithmisierung der Gesellschaft noch mehr der Macht der Giganten des Internets aussetze. Denjenigen, die „die Staaten ausschalten, indem sie massiv unsere Daten sammeln und sich direkt an den Kunden-Verbraucher-Bürger wenden“ (6).

Nach Ansicht des Philosophen Mark Hunyadi (UClouvain) „wird 5G unseren Komfort nicht wirklich steigern, sondern eher den Zugriff des Systems auf den Einzelnen. Es ist die Besonderheit der digitalen Welt, dass sie unter dem Vorwand unseres Wohlergehens und des Zugangs zu praktischen und freundlichen Hilfsmitteln in Wirklichkeit versucht, zu ihrem eigenen Nutzen Zugriff auf Daten zu erlangen“. Dies könnte einen weiteren Einschnitt in die Freiheit des Einzelnen verheißen. (7)

Quellen:

(1) www.ariase.com
(2) www.greenit.fr
(3) www.grappebelgique.be
(4) www.ecoconso.be
(5) www.alterechos.be (10. April 2020)
(6) www.bhct.eu (Workshop vom 16. November 2019)
(7) www.imagine-magazine.com (Nr. 138)

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