Besser essen mit dem Nutri-Score?

Immer häufiger sind Nahrungsmittelverpackungen mit der auffallenden Farbskala des Nutri-Score versehen. Doch wozu dient der Nutri-Score, welches sind seine Vor- und Nachteile? Wie sollte er genutzt werden? Erklärungen und Ratschläge.

Auf einen Blick zeigt der Nutri-Score, ob das verarbeitete Lebensmittel von guter Nährstoffqualität ist. Die Farbskala ist von grün nach rot in fünf Einheiten unterteilt; jeder dieser Einheiten ist zudem ein Kennbuchstabe (A bis E) zugewiesen. Der wissenschaftlich fundierten Berechnung der Nährwertqualität liegt ein Algorithmus zugrunde, der positive Parameter (Ballaststoffe, Eiweiße, Früchte, Gemüse, Nüsse), die bei der Nahrungswahl bevorzugt werden sollten, und negative Parameter (Kalorien, gesättigte Fettsäuren, Zucker und Salz), die nur in begrenztem Maße konsumiert werden sollten, berücksichtigt. Abhängig vom Ergebnis erhält das zu kennzeichnende Produkt:

  • Einen Kennbuchstaben zwischen A (zu bevorzugen) und E (zu vernachlässigen);
  • Die dem Kennbuchstaben entsprechende Farbe, von Dunkelgrün bis Dunkelrot (ähnlich dem Ampelsystem)

Einfach „zu verstehen“

„Der Nutri-Score ist klar und einfach verständlich. Verpflichtend auf der Vorderseite der Verpackung angebracht, ist er für den Verbraucher sofort erkennbar“, so Stéphanie Tylleman, Ernährungsberaterin des paramedizinischen Zentrums Dietconsult in Brüssel. „Der Nutri-Score ist wesentlich einfacher zu verstehen als eine Nährwerttabelle, bei der der Konsument häufig zwischen kleingedruckten Angaben zum Fettgehalt, zum Zuckeranteil und Ballaststoffen, die Übersicht verliert. Die Piktogramme, die zur empfohlenen Tagesmenge an unterschiedlichen Komponenten eines Nahrungsmittels oder eines Getränks informieren, sind ebenfalls nicht viel aussagekräftiger“.

Vergleichen, was vergleichbar ist.

Auch wenn der Nutri-Score ein praktisches Instrument ist, gilt es, ihn richtig interpretieren und nutzen zu können. „Er dient nicht dazu, gleich welche Produkte miteinander zu vergleichen“, mahnt Nicolas Guggenbühl, Professor für Ernährungsberatung am Institut Paul Lambin, in einem auf Foodinaction.com veröffentlichten Artikel. Vielmehr dient der Nutri-Score dazu, Nahrungsprodukte einer gleichen Kategorie, beispielsweise Müsli, Frühstücksflocken oder andere Trockenfruchterzeugnisse miteinander zu vergleichen. Zudem kann er selbstverständlich als Ratgeber für ähnliche Erzeugnisse (beispielsweise Cornflakes) unterschiedlicher Hersteller zu Rate gezogen werden. „Frühstücksflocken sollten nicht mit Sardinen und Olivenöl nicht mit einer Cola verglichen werden, da sie nicht den gleichen Zweck haben“, so der Wissenschafter in Entgegnung auf Argumente, die bereits von Gegnern des Nutri-Score ins Feld geführt wurden.

Vielfalt und Gleichgewichtung

„Generell ist es ratsam, den täglichen Verzehr von Lebensmitteln mit ungünstigen Werten zu begrenzen. Sie müssen aber deshalb nicht komplett vom Speiseplan verbannt werden“, so Stéphanie Tylleman. „Wegen seines hohen Gehaltes an gesättigten Fettsäuren und Salz wird Käse oft schlecht bewertet. Doch täglich zwei bis drei Portionen Milchprodukte (oder kalziumreiche, vegetarische Alternativen) werden aufgrund ihres Eiweiß-, Kalzium- und Vitamin D-Gehaltes empfohlen. Anhand des Nutri-Score kann man sich für einen weniger fetthaltigen Käse entscheiden.“

Auch die Quantität wird bei der Berechnung des Nutri-Score berücksichtigt, so die Ernährungsberaterin: „Der Nutri-Score wird auf eine Menge von 100 Gramm bzw. 100 Milliliter angewendet, doch verzehrt man beispielsweise 100 Gramm Mozarella schneller als 100 Gramm Parmesankäse, da dieser ‚mächtiger‘ ist. Ein Produkt mit niedrigem Nutri-Score sollte daher verantwortungsbewusster konsumiert werden. Das bedeutet aber natürlich nicht, das Nahrungsmittel der Kategorie A und B maßlos verbraucht werden sollten. Es ist alles eine Frage der Gewichtung und der Balance.“

Wie der FÖD Volksgesundheit in seiner Informationskampagne zum Nutri-Score unterstreicht, ist es wichtig, die Prinzipien einer ausgeglichenen und vielfältigen Ernährung zu berücksichtigen, wie sie auch in der Nahrungsmittelpyramide dargestellt werden. Eine Ernährung, die reich an Gemüse und Obst, an Vollkornprodukten, an Hülsenfrüchten und an Ölen ist, trägt zu einer gesunden Lebensweise bei. Selbst kochen und der Verzicht auf Fertiggerichte sind weitere Tipps für Besseresser… und auch für Sparer.

Nutri-Score ist nicht Yuka

Die Hauptkritik am Nutri-Score ist, dass er Zusatzstoffe, Allergene oder unerwünschte Substanzen, wie beispielsweise Pestizid-Rückstände, nicht berücksichtigt.

„In der Tat beschränkt sich der Informationsgehalt des Nutriscore auf den Nährwertgehalt eines Produktes, was ja an sich schonmal nicht schlecht ist“, so Nicolas Guggenbühl. „Er hat nicht den Anspruch, ein allgemeiner Indikator für Gesundheitsrisiken zu sein. Das wäre in der Tat interessant, und mehrere Anwendungen erheben übrigens diesen Anspruch (A.d.R. beispielsweise Yuka), beruhen jedoch nicht auf belastbaren wissenschaftlichen Angaben. Es ist kein Zufall dass weltweit keine öffentliche Gesundheitsorganisation, kein unabhängiges Sachverständigenkomitee und nicht einmal die Weltgesundheitsorganisation einen solchen, umfassenden Indikator entwickeln konnten.“

Zur angesprochenen Anwendung Yuka, die bei Markteinführung vor einigen Monaten in Belgien stark beworben wurde: Diese nutzt drei Kriterien zur Bewertung von Nahrungsmitteln: die Nährwertqualität macht 60 Prozent des Wertes aus, der Gehalt von Zusatzstoffen 30 Prozent und der biologische Aspekt (über das französische Label AB und das Europäische Bio-Label 10 Prozent).

„Diese Gewichtung entbehrt jeglicher Grundalge, da sie Kriterien vergleicht, die man nicht miteinander vergleichen kann. Wir fragen uns zudem, auf welcher wissenschaftlichen Grundlage das Gefahrenniveau von Zusatzstoffen bewertet wird“, so Julie Frère, Sprecherin von Test-Achats. Die Verbraucherschutzorganisation befürchtet, dass das Bewertungssystem von Yuka die Konsumenten verunsichern wird. Stéphanie Tylleman ergänzt: „Jene Verbraucher, die Zusatzstoffe vermeiden möchten, sollten sich für Produkte aus biologischer Landwirtschaft entscheiden, deren Vorteile für die Gesundheit mehr und mehr erwiesen sind. Darüber hinaus sind Zusatzstoffe nicht zwingend schädlich. So ist beispielsweise ein Kalziumzusatz in einer Sojamilch durchaus von Vorteil.“

Achtung vor Zusatzstoffen

Dem Nutri-Score wird zudem vorgeworfen, dass er etwaige Umwandlungen des Produktes unmittelbar vor dem Verbrauch nicht berücksichtigt (Art der Zubereitung, Beifügung von Zutraten…). „Die Nährwertinformationen beziehen sich auf das Produkt bei Verkauf“, so Nicolas Guggenbühl. „Im Falle von tiefgefrorenen Fritten beispielsweise ist es nicht möglich, den Nährwert nach der Zubereitung anzugeben, da es unterschiedliche Zubereitungsformen (Backen, fritieren, Wahl des Öles etc). gibt. Nicht vorgebackene Tiefkühlfritten – die nichts anderes als geschälte Kartoffeln sind – haben den Nutri-Score-Wert A; vorgebackene Tiefkühlfritten jedoch den Nutri-Score-Wert B. Der Wert B würde im Falle einer Zubereitung im Ofen erhalten bleiben; während die Zubereitung in Frittenfett den Score jedoch auf den Wert C herunterstufen würde.

„Wenn man demnach einmal verstanden hat, worüber das Label informiert und worüber nicht, vereinfacht es die Auswahl gesunder Nahrungsmittel durchaus“, fasst Stéphanie Tylleman zusammen.

Hintergrund

Den Nutri-Score verpflichtend machen

Seit 2016 von den französischen Behörden entwickelt und getestet, kann sich der Nutri-Scre auf eine solide wissenschaftliche Grundlage stützen, die den Ernährungsempfehlungen der meisten Gesundheitseinrichtungen gerecht wird. Mehrere Studien belegen zudem den Einfluss dieses Labels auf das Kaufverhalten der Verbraucher: „Der Konsument wählt systematisch kleinere Portionen von Produkten mit einem mittelmäßigen Nutri-Score-Wert“, versichert Test-Achats. Zudem kommt eine Umfrage, die unter 12 000 Konsumenten in zwölf unterschiedlichen Ländern durchgeführt wurde, zu dem Ergebnis, dass der Nutri-Score das bei weitem effizienteste Nährwertlabel ist.“

Diese Gründe haben die belgischen Behörden dazu bewogen, den Nutri-Score in Belgien einzuführen. Seine Anwendung ist jedoch nicht verpflichtend, sondern steht den Nahrungsmittelproduzenten frei. Jene Produzenten oder Großhändler, die den Nutri-Score nutzen, müssen ihn auf ihr gesamtes Nahrungsmittelangebot anwenden.

Aktuell sind in Belgien zwischen 15 und 20 Prozent der weiterverarbeiteten Nahrungsmittel mit dem Nutri-Score auf der Packung versehen. Zwar gibt es Großhändler, die mobile Anwendungen entwickelt haben, durch die man die Werte eines Produktes herausfinden kann, wenn man den entsprechenden Barcode auf der Verpackung scannt. Doch weist Julie Frère daraufhin, dass die Verlässlichkeit dieser Anwendungen nicht erwiesen ist. Und außerdem sollte sich der Verbraucher darüber im Klaren sein, dass er somit zahlreiche Informationen zu seinem Konsumverhalten preisgibt.

Produkte von besserer Qualität

Ein weiterer Vorteil des Nutri-Score ist, dass er die Hersteller dazu bringt, die Zutaten ihrer Produkte zu modifizieren, um somit eine bessere Nutri-Score-Bewertung zu erhalten. Test-Achats konnte eine solche Entwicklung bereits im Rahmen der Aktualisierung seines Frühstückszerealien-Vergleichs feststellen. Auch in Frankreich sind die Auswirkungen zugunsten der Wettbewerbsfähigkeit erkennbar: „Wir stellen eine spürbare Verbesserung der Nährwertqualität von Produkten fest. Dies ist die beste Konsequenz des Nutri-Score-Systems von dem wir hoffen, dass es in ganz Europa Anwendung finden wird“, freut sich Mili Spahic, Vorsitzender der Behörde „Santé publique France“, in der Tageszeitung Le Soir vom 2. April 2019.

Die Anwendung auf freiwilliger Basis begrenzt das Potenzial des Nutri-Score. Doch obliegt die verpflichtende Einführung nicht den Nationalstaaten, sondern der Europäischen Union. Sieben Verbraucherschutzorganisation aus sieben Staaten (darunter Test-Achats) haben unter www.pronutriscore.org eine Bürgerinitiative ins Leben gerufen. Die darauf enthaltene Petition benötigt eine Million Unterschriften, um Gehör bei der europäischen Kommission zu finden.

(Quelle: En Marche/Joëlle Delvaux)