Pressemitteilung - Donnerstag, 8. März 2018

Rund 40 Prozent der Bewohner von Altenheimen bzw. Alten- und Pflegeheimen (AH-APH) nehmen Antidepressiva. Und die Lage ist kaum besser bei den Neuroleptika (Arzneimittel mit antipsychotischer Wirkung), denn fast 20 Prozent der Altenheimbewohner erhalten solche Mittel. Im Übrigen werden alten Menschen ohnehin viel zu oft ungeeignete Antidepressiva und Neuroleptika verschrieben. „Arzneimittel dürfen nicht die erste und einzige Lösung sein“, betont Jean Hermesse, Generalsekretär der Christlichen Krankenkasse (CKK) unermüdlich.

Antidepressiva
Von den Mitgliedern der CKK, die in einem AH-APH leben, haben 39 Prozent mindestens 30 Tage lang Antidepressiva erhalten. Die Lage hat sich seit der letzten Studie kaum verbessert. Das ist erstaunlich, denn seit dem 1. April 2015 werden Arzneimittel in den Wohneinrichtungen für Senioren nach Einzelabgabe abgerechnet, also nicht die gesamte Packung sondern jede Tablette einzeln. Mit dieser Maßnahme sollte nämlich gerade die übermäßige Einnahme von Arzneimitteln bekämpft werden.
Beunruhigender ist jedoch die Tatsache, dass mehr als die Hälfte der Altenheimbewohner, die Antidepressiva nehmen müssen, Mittel erhalten, die nicht für alte Menschen geeignet sind. Es handelt sich also um Arzneimittel, die für die jeweilige Altersgruppe nicht empfohlen werden und schwerwiegende Nebenwirkungen haben oder aber normalerweise eher gegen andere Erkrankungen verschrieben werden.
Sobald jemand in ein Altenheim aufgenommen wird, steigt das Risiko der Einnahme von Antidepressiva um 18 Prozent. Oft ergibt sich daraus eine langfristige, ja sogar dauerhafte Einnahme. Bei AH-APH-Bewohnern liegt der Verbrauch von Antidepressiva auch höher als bei alten Menschen mit einem ähnlichen Profil, die noch in ihrer eigenen häuslichen Umgebung wohnen (46 Prozent gegenüber 32 Prozent).

Neuroleptika
Beunruhigend ist auch die Verbreitung der Neuroleptika bei alten Menschen. Diese Arzneimittel haben beruhigende und angsthemmende Wirkung, sollten aber normalerweise zur Bekämpfung von Wahnvorstellungen und Halluzinationen eingesetzt werden.
Von allen AH-APH-Insassen, die (2016) bei der CKK versichert waren, nehmen nicht weniger als 19 Prozent Neuroleptika, davon sind aber mehr als zwei Drittel nicht für die auf diese Weise Behandelten geeignet. Sobald jemand in ein Altenheim aufgenommen wird, steigt das Risiko, mit Neuroleptika behandelt zu werden, um 40 Prozent. Auch hier handelt es sich im Allgemeinen um eine dauerhafte Einnahme. Menschen, die in ihrer eigenen häuslichen Umgebung leben, verbrauchen deutlich weniger Neuroleptika als solche, die mit einem ähnlichen Profil im Altenheim wohnen (7 Prozent gegenüber 24 Prozent).

Große Unterschiede
Diese Zahlen sind ganz einfach nur alarmierend. „Als Gesundheitskasse setzt die CKK sich für einen sorgsamen Umgang mit Antidepressiva und Neuroleptika ein“, erklärt Jean Hermesse. „Natürlich lässt sich unter bestimmten Umständen bei alten Menschen der Nutzen dieser Arzneimittel nachweisen, aber ihnen beim geringsten Anzeichen von Niedergeschlagenheit, Ängsten oder Unruhe ganz einfach eine Tablette in den Mund zu schieben, darf nicht zu einem Automatismus werden. Psychische Gesundheit ist weitaus mehr als die Verabreichung eines Arzneimittels. Auf die Erwartungen, die Bedürfnisse der Menschen eingehen, sich Zeit für sie nehmen, ihnen zuhören, ihre legitimen Sorgen teilen, sie angemessen begleiten… verbessert manchmal auf wundersame Weise das allgemeine Wohlbefinden. Eine 2010 von der CKK und ihrem Seniorenverband (Die Eiche in der DG) bei AH-APH-Bewohnern und Gesundheitsfachleuten dieses Bereichs durchgeführte Studie hatte bereits die geeignete Praxis herausgestellt, die erforderlich wäre, um die Lebensqualität in den Altenheimen zu verbessern. Auf diesem so weitläufigen und so konkreten Feld können zahlreiche Einrichtungen Fortschritte erzielen. Als Beispiel sei hier nur angeführt, dass die Bewohner sich oft beklagen, dass sie praktisch niemals nach ihrer Mithilfe oder ihrer Meinung gefragt werden“.
Dieser Zustand ist aber nicht unabwendbar. Die erheblichen Unterschiede zwischen den Altenheimen verdeutlichen dies. So gibt es unter diesen Häusern einige, in denen 46 Prozent der Bewohner, die noch völlig eigenständig leben können, Antidepressiva nehmen. Umgekehrt nehmen in einigen Altenheimen, die zu den besten gehören, nur 12 Prozent der noch eigenständigen Bewohner Antidepressiva. „Manche Häuser konnten den Verbrauch von Psychopharmaka erfolgreich einschränken. Diese setzen beispielsweise auf intensive Konzertierung zwischen Ärzten, Heimmitarbeitern und -insassen und deren Familien. Diese Erfahrungen müssen möglichst weit verbreitet werden, damit andere Einrichtungen deren Beispiel folgen können“.
Lebensqualität produzieren
Mit den Ergebnissen ihrer Untersuchung möchte die Christliche Krankenkasse eine breite Debatte über die Lebensqualität in den Altenheimen auslösen und daran erinnern, dass die wesentliche Aufgabe dieser Wohneinrichtungen darin besteht, alten Menschen eine Lebensbegleitung zu bieten und nicht, deren Lebensabend zu organisieren. „Diese Wohneinrichtungen müssen als offene Lebensräume gestaltet werden. Die Bewohner müssen sich dort zuhause fühlen, Wertschätzung und Achtung finden. Alle Mitarbeiter der Altenheime müssen die Zeit haben, die Bewohner zu begleiten. Das ist die einzige Möglichkeit, den Verbrauch von Antidepressiva und Neuroleptika in den Altenheimen einzuschränken“, so das Fazit von Jean Hermesse.

Anhang: Ergebnisse der Studie (auf Französisch)

Weitere Informationen:
Weitere Informationen erteilt Ihnen gerne Joëlle Delvaux, Presseverantwortliche der CKK, 0473 52 77 37
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