„Werbung clever hinterfragen“ ist ein digitaler Baukasten, der aus vier Videoclips, einem pädagogischen Dossier und einem zusammenfassenden Synthese-Merkblatt besteht, der ab jetzt kostenlos unter ckk-mc.be/werbung-clever-hinterfragen zur Verfügung steht. Das Informationsmaterial richtet sich an Pädagogen, die Schülerinnen und Schüler des 5. und 6. Primarschuljahres zu den Techniken, die sich hinter Werbung verbergen, eingehend informieren und die Kritikfähigkeit der Heranwachsenden schärfen möchten.
Über das begleitende pädagogische Material hinaus sind die selbsterklärenden Clips jedoch auch für Eltern interessant, die mit ihren Kindern gemeinsam die Werbebotschaft entschlüsseln und vielleicht auch selbst einen Blick „hinter die Kulissen“ werfen möchten. Der Aufhänger: Die Werbung für Nahrungsmittel – und damit für niederschwellige Produkte des täglichen Bedarfs, die auf Quengeln und Drängeln hin gerne mal im Einkaufswagen landen!
Werbung ist eine von einem Unternehmen finanzierte Botschaft, mit der es seine Produkte und seine Marke bekannt machen möchte. Die wohl bekannteste Form ist die kommerzielle Werbung, die von einer Werbe- oder Kommunikationsagentur auf die jeweilige Zielgruppe zugeschnitten wird. Die Strategie lässt sich wie folgt zusammenfassen: eine Botschaft, die die Vorteile und Qualitäten eines Produktes hervorhebt, wird zu einem festgelegten Zeitpunkt anhand eines ausgewählten Kanals für eine vordefinierte Zielgruppe verbreitet.
Beispiel: Ein Fruchtgetränk, das Energie liefert, wird im Werbeblock eines Zeichentrickfilms am Nachmittag im Kinderfernsehen beworben. Doch Werbung findet selbstverständlich nicht nur im Fernsehen statt: „klassische“ Medien wie die Zeitung, das Radio oder die Plakatwerbung sind ebenso effiziente Kommunikationskanäle wie soziale Netzwerke oder Online-Spiele. In Bezug auf die Häufigkeit der Schaltung und die Gewichtung der Botschaft wird eine Werbung dann den Vorzügen des jeweiligen Kommunikationskanals angepasst.
Das belgische Gesetz verbietet trügerisches oder irreführendes Geschäftsgebaren, beispielsweise in Bezug auf Preis, Zusammensetzung, gesundheitliche Risiken, Menge oder geographische Herkunft. Daher nutzt die Werbung andere Strategien, um ansprechende Informationen hervorzuheben und das zu verschweigen, was sich nicht verkaufen lässt:
Sie zeigt eine idealisierte Welt (idyllische Kulisse, attraktive Menschen,…);
Sie weckt Emotionen (berührende Geschichten, Humor,…);
Sie spielt mit der Wahrheit (Wortspiele wie „der wahre Geschmack“, „natürlich“…).
Zwischen Wissenschaft und
Kreativität: die Werbestrategie
Um eine emotionale Bindung mit der Zielgruppe zu schaffen und ein starkes Bild der Marke transportieren zu können, setzt das Lebensmittelmarketing verschiedene Werbestrategien ein. Verführung und Kundenbindung sind die strategischen Ziele, und um diese zu erreichen, werden unterschiedliche Kommunikationskanäle (Fernsehen, Internet, soziale Netzwerke, Werbespiele, Influencer) genutzt.
Das Neuromarketing basiert auf der Analyse der Hirnfunktion und drängt den Verbraucher dazu, eine emotionale statt eine rationale Entscheidung für ein Produkt zu treffen. Wie? Indem das Individuum unterbewusst in seiner Identität, seinen Gefühlen, seinem Verlangen nach Gruppenzugehörigkeit oder auch in sich immer wiederholenden Botschaften angesprochen wird.
Um den Konsum eines Produktes mit einer positiven Emotion zu verbinden und die Zielgruppe somit zu verführen, nutzen Werbemacher unterschiedliche Strategien, wie beispielsweise den Einsatz von Musik, die Inszenierung eines Prominenten oder auch die Darstellung einer idealen Familie. Steht das Kind nun dem beworbenen Produkt gegenüber, wird es sich an diese Emotion erinnern und Lust haben, es zu kaufen. Durch diesen langfristig eingesetzten Verfügungsprozess zielen Werbemacher darauf ab, dass – hat sich die Emotion erst einmal festgesetzt – sich das Kind im Erwachsenenalter zu einem treuen Konsumenten der Marke entwickelt.
Eine der neuesten Techniken im Werbebereich ist das Influencer-Marketing – also das Marketing durch Beeinflussung – das vor allen Dingen durch die Entwicklung von Videoplattformen wie YouTube oder jüngst TikTok begünstigst wurde. Influencer sind Personen, die aufgrund ihrer starken Präsenz in sozialen Netzwerken eine hohe Glaubwürdigkeit innerhalb einer Zielgruppe genießen und die von Unternehmen damit beauftragt werden, Produkte und Dienstleistungen zu bewerben. Dies geschieht beispielsweise in Form eines „Unboxing“ (Auspacken von und Experimentieren mit Spielen oder anderen Produkten) oder durch die Verkostung von Lebensmitteln. Die auf dem Influencing basierende Kommunikation ist sehr viel wirkungsvoller als traditionelle Werbung, da sie die Techniken des viralen Marketings (Mund-zu-Mund-Propaganda) und der Produktplatzierung übernimmt und daher glaubwürdiger als konventionelle Werbung zu sein scheint. Kinder sind gegenüber Influencern und ihrer Form des Marketings eine äußerst verletzliche Zielgruppe.
… auf die Gesundheit: Kommerzielles Lebensmittelmarketing verleitet Kinder zum Konsum zu fetter, zu salziger und zu süßer Lebensmittel – die Heranwachsenden entwickeln eine Vorliebe für Junkfood. Die damit einhergehenden gesundheitlichen Probleme sind vielfältig, wie stetig ansteigendes Übergewicht oder psychische Störungen.
…auf das Verhalten: Werbung weckt Bedürfnisse, die jedoch entbehrlich und vergänglich sind. Es werden stetig neue Produkte auf den Markt gebracht, die vorangegangene ersetzen. Die Suche nach der Befriedigung von Wünschen und Bedürfnissen wird zu einer Quelle des „Wohlbefindens“. Um diese Bedürfnisse zu befriedigen, verführen die Werbetreibenden Kinder dazu, eine „Macht der Belästigung“ zu entwickeln: Da Kinder etwa 70 bis 80 % der Kaufentscheidungen eines Haushalts beeinflussen, entwickeln die Marken eine Kommunikation, die sich direkt an die Kinder als „Verbraucher“ richtet. Um der Rolle als „Spielverderber“ zu entgehen und einfach nur „ihre Ruhe“ zu haben, werden Eltern unter dem Einfluss der Wünsche des Kindes häufig zu Produkten greifen, die nicht wirklich notwendig sind. Dadurch hält das Produkt Einzug in das Konsumverhalten eines Haushaltes, und das Marketing hat sein Ziel erreicht.
… auf die Beziehung zu anderen: Im Alter von 10 bis 12 Jahren suchen Kinder den Anschluss an die „Peergroup“, also an eine Gruppe von Gleichaltrigen. Werbetreibende versuchen daher, Kinder zum Kauf von Produkten (Kleidung, Snacks,…) zu verleiten, mit denen es ihnen gelingt, sich in eine solche Gruppe zu integrieren. Indem sie eine Werbebotschaft kreieren, die ein Produkt als „cool“ oder „leicht zu teilen“ (bspw. Mini-Snacks) anpreist, wecken sie bei den Kindern die Kauflust, um ihresgleichen zu gefallen.
… auf die Identitätsbildung: Werbung bedient Stereotypen jeglicher Art. Männliche und weibliche Rollen bleiben in den Lebensmittelwerbungen äußerst „kodiert“, d.h. Frauen besetzen mehrheitlich immer noch die häuslichen, ästhetischen und inaktiven Rollen, während den Männern in erster Linie die Rolle als Experte oder Autoritätsperson zukommt. Darüber hinaus suggeriert die Lebensmittelwerbung gemäß dem Übertragungswert Mutter-Tochter oder Vater-Sohn, sich für die gleichen Gewohnheiten wie das Elternteil des gleichen Geschlechts zu entscheiden. Und natürlich inszeniert Werbung idealisierte Körper (schlank, verführerisch) für Mädchen wie auch für Jungen. Solche Bilder beeinflussen die Vorstellung, die die Jugendlichen von ihrem Körper und ihrer Sexualität haben, mit allen negativen Folgen für ihr Selbstbild.
… auf den künftigen Konsum: Werbung möchte so früh wie möglich auf Kinder abzielen, um diese langfristig zu binden und als künftige Konsumenten zu gewinnen. Diese konsumieren dann die Produkte ihrer Kindheit aus Gewohnheit oder aus Nostalgie. Marken gleichen ihre Produkte an, beispielsweise in Bezug auf Form und Verpackung, um sich so allen Lebensstadien des Konsumenten anzupassen.
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